ext_49645 ([identity profile] dunderklumpen.livejournal.com) wrote in [community profile] dunder_fic2010-05-23 07:09 pm

Qaf: "Erinnerungen" (Ben/Michael)

Autor: Dunderklumpen
Titel: "Erinnerungen"
Fandom: Queer as Folk
Genre: Drama, AU
Personen: Michael/Ben
Rating: NC-17
Word Count: 1.722 Wörter.
Zusammenfassung: Geschrieben wurde die Story für den Fanfic-Wettbewerb auf dem Qaf-Fanboard. Vorgabe war, die im Text markierten Wörter in eine sinnvolle Story einzubinden. Sie hat leider nicht gewonnen, aber es war ein Anreiz nach über 5 Monaten wieder mal was im Qaf-Fandom zu schreiben, das bei mir bisher ein wenig ruhte.
Warnung: Nur minimale Spoiler für alle 5 Staffeln! Death!Fic.
Beta: Ganz lieben Dank an [personal profile] ninniach, die die Geschichte in Kürze korrigiert und mir ein paar Tipps gegeben hat.
Disclaimer: Queer as Folk ist das Eigentum von Cowlip und Showtime.

„Erinnerungen“

Das Zimmer lag im schemenhaften Grau der Abenddämmerung. Es war jenes Grau, dass sich zwischen Anbruch der Nacht und Ende des Tages durch die Ritzen stahl, in die Zimmer floss und ihn umhüllte, wie eine schwere, warme Decke. Es war ein Grau, dass auf eigenartige Weise Trost spendete und äußerlich das widerspiegelte, was in seinem Innern vorging. Für wenige Minuten verharrte das Tageslicht, kämpfte um seine Vormacht. Doch die Schwärze der Nacht schluckte es und der Tag ergab sich dem Abend.

Müde schloss er die brennenden Augen und atmete aus. Sein Kopf fiel kraftlos gegen die Lehne des Sofas und Erinnerungen fluteten ihn. In Wellen brachen sie über ihm zusammen und er hatte keine Chance zu entfliehen. 

Ben stand in der Küche, den Rücken zu ihm gewandt, als er aus dem Esszimmer trat. Seine Augen ruhten auf der kraftvollen Statur seines Mannes und er schmunzelte. Er folgte Bens Bewegungen – wie er Besteck aus der Schublade holte, den Deckel anhob und das Sauerkraut umrührte. Seine Hände griffen nach den Topflappen, die an der Wand hingen und dabei entdeckte er Michael. Über seine Schulter hinweg sah er ihn an und lächelte. Lächelte das Lächeln, das Michael so an ihm liebte und bei dem er jedes Mal das Gefühl hatte, sein Herz würde für den Bruchteil einer Sekunde aussetzen. Er lächelte zurück und für einen kurzen Moment verharrten ihre Blicke ineinander. Die Eieruhr klingelte und unterbrach den stummen Dialog. Ben drehte sich um und öffnete den Ofen.

Schwärze umhüllte ihn. Die Nacht war gekommen und hatte sich Einlass erzwungen. Er saß noch immer im Wohnzimmer, reglos in seine Gedanken vertieft. Die Lampen im Haus blieben dunkel als er erneut in die Schatten der Vergangenheit eintauchte. 

„Und wo sind ihre Hausschuhe?“, fragte Mel, der Stress deutlich in ihrer Stimme hörbar.

„Sind sie nicht in der Tasche?“, fragte Michael zurück und rannte durch die Wohnung, um zu überprüfen, dass er alles eingepackt hatte. 

„Michael!“, rief Mel vorwurfsvoll und Ben grinste.

Die Beiden waren nicht zu überbieten. Mel, die gestresste Mutter mit tausend Terminen im Kopf und Michael, der versuchte durch emsiges Zusammenpacken den Abschied hinauszuzögern.  

„Hier, Baby“, sagte er und drückte Michael J.R. in die Hand, die er bis dahin auf dem Arm gehalten hatte, „verabschiede dich von deiner Tochter.“

Michaels braune Augen wurden eine Spur dunkler und Traurigkeit machte sich auf seinen Zügen breit. Er versuchte, es zu verbergen, aber für Ben war Michael ein offenes Buch. Er tätschelte ihm aufmunternd die Schulter als er mit Mel ins Wohnzimmer ging. 

„Ich glaube“, sagte er ruhig, „ich hab ihre rosa Plüsch-Hausschuhe das letzte Mal im Wohnzimmer gesehen.“

Michal seufzte. Er liebte seine Tochter und es fiel ihm jedes Mal schwer, von ihr Abschied zu nehmen. Immer, wenn sie gegangen war, fühlte die Wohnung sich leer an. War sie zuvor mit Kinderlachen erfüllt gewesen, hörte er nun nur noch seinen eigenen Atem in der Stille. Ben war für ihn da gewesen in den Augenblicken, nachdem sich die Tür geschlossen hatte. Er nahm ihn stumm in den Arm und seine bloße Präsenz half ihm die aufkommende Melancholie zu verdrängen. Besonders schlimm war es, wenn er, kurz nachdem sie ihn verlassen hatte, etwas fand, was ihr gehörte. Es erinnerte ihn daran, dass sie da gewesen war und zugleich machte er sich Sorgen, dass sie es vielleicht vermissen würde. So war es mit dem gelben Quietscheentchen gewesen, das er nach ihrem letzten Besuch im Bad gefunden hatte. Es hatte direkt neben der Klobürste gelegen, die sie aus ihm unerfindlichen Gründen faszinierend fand. Er musste jedes Mal schmunzeln, wenn er daran dachte, dass sie es fertig gebracht hatte, dieses Ding überall mit sich herumzuschleppen. Mel konnte sich auch nicht erklären, warum das so war, aber Ben und er hatten für jeden Besuch eine frische Bürste parat. Wer hätte gedacht, dass ein Baby den Verschleiß an Klobürsten in ihrem Haushalt steigern würde?! 

Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. J.R. hatte einige seltsame Phasen durchlaufen und Ben war jedes Mal da gewesen, um ihn zu beruhigen oder verwirrte Blicke mit ihm auszutauschen. Seine Tochter hatte wahrlich ihren eigenen Kopf – da kam sie ganz nach ihren Eltern.
Er atmete ein und die Luft im Raum erschien ihm stickig als er die Tränen schluckte, die ihm im Hals steckten. Es war eine Erinnerung von vielen, die er an Ben hatte. Völlig alltäglich und eigentlich nichts Besonderes. Aber das war es, was das Leben ausmachte. Die kleinen Augenblicke des Alltags, die nichts und alles bedeuteten.

Das Haus duftete nach Blaubeer-Muffins als er zur Tür hereinkam. Mit einem wohligen Seufzen sog er den süßlichen Geruch ein. Er liebte Muffins, egal welche Sorte, und Ben wusste das. Er war gerade dabei seine Jacke aufzuhängen als Hunter aus der Küche kam, einen Muffin in der Hand. 

„Hey, Dude“, sagte er  und biss herzhaft in das kleine Küchlein.

„Hey“, erwiderte er und beobachtete, wie Hunter seine Jacke vom Hacken nahm. 

„Wohin gehst du?“

„Ofoumpfhgjdkslndm.“ 

„Was?“

Der schlaksige Teenager versuchte das Gekaute zu schlucken und begann dann zu husten. Michael klopfte ihm auf den Rücken bis er sich beruhigt hatte. Aus tränenden Augen sah er ihn an. 

„Ich geh ins Einkaufzentrum.“

„Und was machst du da?“, fragte er weiter. 

Hunter verdrehte die Augen. „Einkaufen.“

Nun war es an Michal, die Augen gen Himmel zu richten. 

„Bin ich hier beim Verhör oder was?“, grummelte Hunter, aber hatte dann Mitleid mit seinem Ziehvater. „Ich treff mich mit Jack und Danny. Danny hat sich einen Rottweiler gekauft und für den braucht er jetzt ein Hundehalsband. So einfach ist das.“

Michael nickte und hatte den Mund kaum geöffnet, da fiel ihm Hunter auch schon genervt ins Wort. 

„Ich weiß, ich bin spätestens um 20 Uhr wieder daheim.“

Michael grinste und der blonde Teenager grinste zurück, bevor er die Tür hinter sich ins Schloss zog. 

„Hey“, sagte Ben, dessen Kopf aus der Küchentür lugte.

„Hey, Ben“, erwiderte Michael und ging auf den Blonden zu. 

„Hunter schon weg?“, fragte Ben und zog seinen Mann an sich.

Michael nickte. Und fühlte zugleich weiche Lippen an seinem Ohr. „Ich hätte eine hervorragende Idee, wie wir die Zeit effektiv nutzen könnten.“ Bens Stimme war tief und dunkel, und sein Atem geisterte warm über seine Wange. 

Ein Schauer lief ihm über den Rücken bei diesen Worten, denn er konnte sich genau ausmalen, was es war, an das sie beide dachten.

Es  war nicht nur der Sex, den er vermisste. Es war Ben. Er war der Mensch, der ihn komplettierte. Ben hatte sympathisch gelacht als Michael bei „Jerry McGuire“ versuchte, seine Tränen wegzublinzeln. Er liebte die Szene, in der Tom Cruise René Zellweger sagte, dass er ohne sie nur ein halber Mensch wäre und sie ihn vervollständige. Genau das war es, was er für Ben fühlte. Ohne ihn war er nur die Hälfte seiner selbst und er brauchte ihn, wie die Luft zum Atmen.
Sie hatten immer gewusst, dass der Tag einmal kommen würde, aber es war dennoch viel zu früh gewesen, viel zu überraschend. 

Er wusste nicht mehr, wie die Tradition begonnen hatte, aber am Vorabend von Halloween war es schon seitdem er denken konnte immer so gewesen, dass sie sich alle bei seiner Mutter trafen und ein echt italienisches Gelage stattfand. Der Tisch bog sich unter all den Delikatessen und es ließ sich keiner nehmen vorbeizuschauen und sich quer durch gefühlte 100 Tonnen italienische Kochkunst zu essen. Der Nachteil bei diesen Besuchen war Debbies Forderung, dass sie nach dem Essen ein paar Spiele machen mussten. Und auch Michaels Ablenkungsversuch mit J.R.s Biene Maja-Kostüm trug keine Früchte. Zu seinem Leidwesen war auch dieses Jahr wieder einmal Pantomime angesagt. Das allein war noch nicht problematisch, wenn er nicht nur zu denjenigen gehören würde, die absolut nicht in der Lage waren einen geraden Ton herauszubringen, geschweige denn etwas vorzuspielen. Da hatten ihn die Gene seines Vaters offensichtlich im Stich gelassen, denn ein Schauspieler würde er nie mehr werden.

Während er sich bemühte einen Schoko-Osterhasen darzustellen, bekam er nur fragende Blicke zugeworfen.

„Hund, Katze, Maus“, rief Ted wenig enthusiastisch in die Runde. 

„Ein Gebäude?“, fragte Carl.

Michael schüttelte den Kopf und ging in die Hocke, um wenigstens ansatzweise einen Hasen darzustellen. 

„Sex“, kam Brians Kommentar.

Michael ignorierte ihn und schaute bettelnd zu Ben, aber der lächelte nur hilflos und schüttelte den Kopf angesichts des kläglichen Versuches seines Mannes. 

Frustriert stand Michael auf.

„Sex im Stehen“, rief Brian gelangweilt und kassierte einen Knuff in die Seite von Justin. 

Brian zuckte mit den Schultern. „Sex im Liegen?“

Michaels Blick sagte alles. Weitere 3 Minuten später gab er genervt auf.  

„Wer soll bitte ‚Schoko-Osterhase’ raten können“, grummelte er vorwurfsvoll und ließ sich auf die Couch neben Ben fallen, der tröstend einen Arm um ihn legte und dabei von einem Ohr zum anderen grinste.

„Ein George Clooney bist du nicht gerade.“, entgegnete Debbie nur trocken und spielte damit auf seine lausigen Pantomime-Künste an. 

„Aber viel süßer“, nahm Ben ihn in Schutz, während Debbie Justin die Schüssel mit den Begriffen hinhielt. Dieser schnappte sich einen Zettel und faltete ihn auseinander.

„Was? Das kann ich nicht spielen.“, sagte er im Brustton der Überzeugung. 

„Sei kein Spielverderber!“, rief Michael, der jemand anderen genauso leiden sehen wollte, wie ihn.

Justin sah auf und begegnete Michaels amüsierten Blick. „Wie zum Teufel soll ich bitte eine ‚durchgedrehte Tanz-Oma’ darstellen?“, fragte er und seine Finger vollführten Anführungszeichen in der Luft. „Und was ist das bitteschön?“ 

Alle Blicke gingen zu Debbie. Sie schaute ungeniert zurück und grinste. „Was? Das ist ein völlig normaler Begriff!“

Mit diesen Worten nahm sie ihm den Zettel ab und drückte ihm blind einen anderen in die Hand.

Seufzende warf Justin einen Blick darauf und versuchte mit aller Macht zu erklären, dass er einen Blauwal darstellte.

Michael kicherte tonlos. Er war dankbar für seine Freunde und Familie. Dankbar, dass sie ihm zur Seite standen in dieser Zeit. Aber es gab Tage, wie heute, an denen ihn die Traurigkeit übermannte, egal wie sehr er sich zu wehren versuchte. Er hatte gelernt mit dem ständigen Schmerz in der Brust zu leben. Er wusste, dass dieser eines Tages verschwinden würde und nur Erinnerungen zurückblieben. Aber noch war es zu früh, noch ergab er sich ihm, suhlte sich in der Einsamkeit seiner Selbst, bevor er sich zusammenriss, um auf Hunter zu warten. Das Ticken der Uhr schien lauter zu werden und die dunklen Zeiger näherten sich der 6.

‚Zeit sich zusammenzureißen’, dachte er und schaltete das Licht an.